Was 7 vs. Wild über uns sagt
Zur Faszination des Überlebens in der Moderne
Die Natur sprießt auf YouTube. Immer mehr wird sie auf der Plattform zum angesagten Inhalt, bewegt sich von der Nische zum Mainstream. Outdoor- und Survival-Formate sind zu Erfolgsgaranten geworden, die immer aufwändiger produziert werden und immer mehr Menschen erreichen. Gepaart mit buchbaren Survivalurlauben in der Wildnis fasziniert die vom Überleben geprägte Naturerfahrung ein Millionenpublikum. Katalysator dieser Entwicklung ist die Show 7 vs. Wild, die erstmals 2021 in sechzehn Folgen ausgestrahlt wurde. Allein und „ohne Kontakt zur Außenwelt“ (Serien-Intro) müssen die Teilnehmer in der Wildnis überleben, zunächst eine Woche, in der gerade beendeten dritten Staffel inzwischen zwei Wochen. Nur mit begrenzter, selbst gewählter Ausrüstung ausgestattet, gilt es, den Naturgewalten zu trotzen. Survival-Experten treten hier neben prominenten Streamern an, alle erzählen ihre jeweils eigene Geschichte vom Überleben in der Wildnis, die sie selbst mit Kameras aufnehmen. Nur für den Notfall darf Kontakt zum Organisationsteam hergestellt werden. Nicht nur körperlich, auch psychisch belastet diese Isolation die Teilnehmer, für die die Zeit in der Wildnis zur außergewöhnlichen, häufig einmaligen Erfahrung wird. Auch deshalb variiert die Show ihr Setting, verändert ihr Spielprinzip, bei dem es immer auch um den ‚Sieg‘ geht, und schickt mal Einzelkämpfer, mal Zweierteams ins Rennen. Drehorte und Teilnehmer wechseln, der Publikumserfolg bleibt unverändert. Inzwischen lagern sich Bildbände, Merchandise und ‚Behind The Scenes‘-Videos manigfach um die Show an.
Faszination Überleben
Solch eine Faszination am Überleben in der Wildnis ist nicht neu. Schon vor fast genau 300 Jahren landete Daniel Defoe mit seinem Robinson Crusoe einen Bestseller, der bis heute insbesondere als Kindergeschichte weitbekannt ist. Die Geschichte von Crusoe ist ein ‚Mythos‘, eine feste kulturelle Größe, bei der Fiktion und Wirklichkeit verschwimmen.1 Schon Defoe gibt sich Mühe, seinen Roman möglichst real erscheinen zu lassen. Im Untertitel heißt es, er sei von Crusoe selbst geschrieben („Written by Himself“). Das war ökonomisch wohlkalkuliert, schließlich hatte die Geschichte des Seemanns Alexander Selkirk, der von 1704 bis 1709 über vier Jahre allein auf einer Insel im Pazifik überlebte, die englische Gesellschaft fasziniert.2 In einem Presseartikel und Reiseberichten fand sein Schicksal dann Echo und Verbreitung.3 Diesem ‚Hype‘ Rechnung tragend, lässt Defoe seinem Robinson Crusoe in etwas mehr als einem Jahr zwei Fortsetzungen folgen.
Wie prägend diese Urfiktion des Überlebens auch für die Überlebensshow 7 vs. Wild ist, zeigt nicht zuletzt der Drehort der zweiten Staffel: eine einsame Insel in Panama. Jens ‚Knossi‘ Knossalla, einer der Teilnehmer des tropischen Experiments, stellt sich dabei explizit in diese Tradition: „Ich lerne hier, wie Tom Hanks und Robinson Crusoe sich fühlen“ (Staffel 2, Folge 10), um daraufhin einen grünen Plastikball zu einer Imitation von Wilson zu gestalten, dem volleyballförmigen Begleiter des Gestrandeten Chuck Noland (gespielt von Tom Hanks) aus dem Film Cast Away. Dass Knossalla dabei Crusoe auch in Details nahekommt – er genießt den auf die Insel mitgenommenen Tabak, ist bei Früchten gleichermaßen ahnungslos wie Defoes Figur, schnitzt ähnlich wie dieser in einer Palme die Tage ein oder trifft auf Fremde –, bleibt da lediglich eine Randnotiz.4 Sich in Überlebenssituationen zu begeben, heißt auf kultureller Ebene wohl auch immer, sich in Erzählungen einzufügen, Verhalten zu imitieren, irgendwie ähnlich zu sein wie diese Vorläuferfiguren.
Crusoe ist dabei nur eines von zahlreichen Beispielen aus diesem Fundus, die, reine Fiktion oder reale Erlebnisse wiedergebend, sich in den vergangenen Jahrzehnten, ja Jahrhunderten einer stetigen Faszination sicher sein konnten. Der Rückfall in die Natur, die Absonderung von der Zivilisation, sie geben den Stoff erfolgreicher Geschichten. Die Betroffenen durchleben eine existentielle Situation, werden auf sich selbst zurückgeworfen, treten vor allem als Mensch an sich auf den Plan, ob nun Twitch-Streamer, Survival-Experte oder Wildcard-Gewinner wie im Falle von 7 vs. Wild. Das evoziert ein Setting, in das jeder (imaginativ) geworfen werden kann. Wie verlockend das ist, zeigen nicht zuletzt so alltägliche erzählerische Versatzstücke wie die Frage, was man denn auf eine einsame Insel mitnehmen würde. Es sind Figuren und Gegebenheiten, die in hohem Maße dazu anleiten, sich mit ihnen zu identifizieren, sich in sie hineinzuversetzen: Würde ich das tun? Würde ich das essen? Würde ich das überleben?
Auch die Kommentarspalten auf YouTube füllen sich unter 7 vs. Wild-Videos mit Antworten auf genau diese Fragen, die in Reaction-Streams weiterdiskutiert werden. Die Entscheidungen der einzelnen Teilnehmer sind vielverwertbarer Gesprächsstoff. All das jedoch bleibt unter dem immer wieder vorgetragenen Vorbehalt, man solle selbst erst einmal diese Situation erleben. Schließlich rät es sich nicht nur bei Quizsendungen besonders gut vom heimischen Sofa aus, es überlebt sich auch besonders einfach. Wie wenig nachvollziehbar und vorstellbar ihre Grenzerfahrungen in der Wildnis sind, betonen die Teilnehmer immer wieder selbst. So viel Potential für Identifikation das Überleben in der Natur bietet, so scharf wird eine Grenze des Wissens zwischen den Erlebenden und den Zuschauenden getroffen. „Man kann es sich nicht vorstellen, wenn man es nicht gemacht hat“, resümiert das YouTuber-Duo Naturensöhne (Staffel 3, Folge 4). Und der Twitch-Streamer Reeze bekräftigt: „Ihr habt keine Ahnung, was das hier bedeutet“ (Staffel 3, Folge 10). Einen externen Erzähler bietet 7 vs. Wild entsprechend nicht auf, genauso wenig wie ein Kamerateam. Erzählt wird durch die Teilnehmer selbst, die sich mit Kameras filmen und ihr Handeln im Modus des Warum erklären. Das folgt nicht nur dem Gebot „vollkommener Isolation“ (Serien-Intro), sondern sorgt auch für eine Ästhetik der Authentizität. Die „matten“, „beschlagenen“, unscharfen Bilder der GoPro bilden ungeschönt die Situation in ihrer Kargheit ab.5 Auch in der Protokollierung ihres Aufenthalts sind die Teilnehmer auf sich allein gestellt. Ähnliches galt schon für Robinson Crusoe, den Defoe in seinem Roman Tagebuch führen lässt. Statt dem Stift drückt 7 vs. Wild den Teilnehmern nun einfach die GoPro in die Hand. Im Gegensatz zum Wort aber legt das Bild eine besondere Authentizität nahe, die Zuschauer sehen, was auch die Teilnehmer sehen. Die Ereignisse müssen nicht erst den Weg in das Medium Sprache und dessen imaginative Unendlichkeit finden, sondern können direkt in Augenschein genommen werden. Wenn dabei auch möglichst ausgreifend, ereignislos, ja teilweise langatmig erzählt wird, erzeugt dies den Eindruck eines Live-Dabei-Seins. Anstatt den Aufenthalt in eine Stunde zu pressen, wird jede Staffel in 16 Folgen mit teilweise annähernder Spielfilmlänge präsentiert. Nichts wird verschwiegen, alles gezeigt, signalisiert diese Erzählweise.
Wie aber lässt sich vor dem Hintergrund des Unnachvollziehbaren und des Authentizitätsanspruchs als externer Beobachter überhaupt über solche Geschichten sprechen? Die Isolierten und um ihr Überleben Kämpfenden befinden sich schließlich in einer Position epistemischer Allmacht. Ob sie dies nun in Tagebucheinträgen oder Videoaufnahmen verewigen – weder die Ereignisse noch ihre jeweilige sprachliche oder filmische Abbildung lassen sich endgültig überprüfen. Auch bei 7 vs. Wild mögen uns die Teilnehmer manche Ereignisse vorenthalten, die Produzenten manche Ereignisse herausschneiden, die Szenen manchen Selbstbeschreibungen entgegenlaufen. Aber wer würde sich berufen sehen, die Serie oder andere Geschichten vom Überleben damit als ‚Produkt‘ zu bezeichnen, ihnen Mittel wie Dramatisierung oder Übertreibung vorzuwerfen? Die Grenze zwischen dem, was erzählt wird, und dem, wie erzählt wird, lässt sich analytisch kaum ziehen. Und so bleiben unlösbare Fragezeichen hinter jeder Beschäftigung mit solchen Geschichten vom Überleben: Wo endet ihr Inhalt und beginnt ihre Darstellungsweise? Was ist dramatisiert, was die inhärente Dramatik des Überlebens? Und gibt es überhaupt so etwas wie eine objektive Wirklichkeit des Überlebens?
Simulation des Überlebens
Mit dem Überleben geht es um eine ganz grundsätzliche Kategorie, eine existentielle Erfahrung, die zum Menschsein irgendwie und irgendwann dazuzugehören scheint. Und doch ist Überleben eine Kategorie der Ausnahmesituation – und selbst eine Ausnahme. „Überleben impliziert, daß eine Entität, die tot ist oder es sein sollte, noch lebt“, so der französische Philosoph Jean-François Lyotard.7 Im Etwas des Überlebens ist der wie ein Damoklesschwert über allem schwebende Tod konkretisiert. Er erhält einen Namen und eine Ursache, mithin eine Erscheinung. Diese aber zeichnet sich eben mit hoher Wahrscheinlichkeit für den baldigen Tod verantwortlich, erfordert Tun oder Glück, um während und nach ihr weiter zu existieren.8 Überleben als eine Ausnahme heißt damit, sich auszunehmen von einem wahrscheinlichen Verlauf des Sterbens. Dem Tod wird ins Auge geblickt – und von der Schippe gesprungen.
Überlebt wird, so ließe sich unter Rückgriff auf den deutschen Philosophen Hans Blumenberg formulieren, etwas. Im harmlosesten, aber nicht unwichtigsten Falle: die Zeit. Sonst und schwererwiegend: die Katastrophe. In dieser Spannbreite situiert auch 7 vs. Wild das Überleben, wobei schon der Serientitel bestimmt, was da zu überleben ist: die Natur. Nur mit wenigen Gegenständen, aber ohne mitgebrachte Nahrung, wird ihr gegenübergetreten. Von den Teilnehmern wird erwartet, mehr für ihr Überleben zu tun als in der modernen Gesellschaft, in der es im weitesten Sinne zum Normalfall geworden zu sein scheint. Gegen Wind und Wetter oder Durst und Hunger muss sich das Individuum nun allein oder im Duo wehren. Dass es sich bei diesem Ringen mit der Natur um Überleben handelt, wird von den Show-Produzenten und Teilnehmern dabei immer wieder kommunikativ in Anschlag gebracht. „Wir zeigen euch das Survival des Ottonormalverbrauchers“, erzählt Knossi, im eigentlichen Leben einer der erfolgreichsten Streamer Deutschlands, neben seinem Teampartner und Fitness-YouTuber Sascha Huber sitzend in die Kamera (Staffel 3, Folge 8). Aber weder Wasser, Essen oder Unterkunft nehmen die beiden als schwerwiegendste Gefahr für ihr Leben wahr. Spätestens nach der Begegnung mit einem Wolf zu Beginn der zweiwöchigen Überlebenssession in den kanadischen Wäldern wird das Tier zur ‚Katastrophe‘ und immer wieder ins Gespräch gebracht. Schon in der zweiten Staffel der Survival-Serie, an der Knossi und Sascha jeweils als Einzelkandidaten teilnahmen, war es das Krokodil, das immer wieder für Angstzustände sorgte. Auf Vancouver Island sind es nun Wölfe und Bären. Der mögliche Tod bekommt Gesicht, Schnauze und Fell. Was sie zu überleben haben, bestimmen die Teilnehmer kommunikativ selbst mit, indem sie festlegen, was für sie die wirkliche Gefahr ist.9
Dass der mögliche Tod gerade als animalisierter auf den Plan gerufen wird, liegt nicht nur am scharfzahnigen Gebiss der Tiere, sondern gerade auch an der Absicherung, die im Notfall Überleben und Gesundheit der Teilnehmer gewährleisten soll. Täglich müssen sie über ein GPS-Gerät einen sogenannten ‚Code Green‘ an das sich in der Nähe befindliche Organisationsteam senden, um so das eigene Überleben zu bestätigen. Mit einem ‚Code Yellow‘ wird ein Abbruch kommuniziert, ein ‚Code Red‘ aber bedeutet eine Notfallsituation, in der nun Rettungskette und Evakuierung dafür sorgen sollen, dass das Überleben gesichert wird. Es sind gerade tierische Angriffe, aber auch Stürze oder Schnittverletzungen, die für enormen Zeitdruck sorgen und für deren Eintreten das eigene Leben sich kaum versichern lässt. Es sind Notfälle, für die Rettungskette und roter Code gedacht sind, Ereignisse, die eine Akuität besitzen. Gerade aber mit dieser Sicherheitsarchitektur definiert die Serie selbst mit, was in ihr als Überleben gilt, oder genauer: Wann das Individuum das eigene Überleben nicht mehr selbst gewährleisten kann.
Auf diese Katastrophe ausgerichtet, die von manchen Teilnehmern immer wieder evoziert wird, treten andere, weniger dringliche Herausforderungen des Überlebens kommunikativ und filmisch in den Hintergrund. Dabei sind es gerade sie in Form von Nahrung, Wasser und Unterschlupf, die, omnipräsent, über das eigene Weiterleben entscheiden. Aber gerade sie entfalten eben nur selten dringliche Wirkung, lassen sich gar durch das Zehren vom eigenen Körper überwinden, der das eigene Überleben in gewisser Weise selbst herstellt. Teilweise in Apathie verfallend, essen die Teilnehmer in allen Staffeln wenig, fahren die Bewegung auf das Nötigste herunter, sitzen die Spanne im wahrsten Sinne des Wortes aus. Akut wird das Überleben also nur selten. „Survival heißt, seinen Tod hinauszuzögern“, konstatiert der Survival-YouTuber Mattin (Staffel 1, Folge 14) und bringt damit die Überlebensstrategie der Serie auf den Punkt, denn am Ende der ein oder zwei Wochen wartet die Rückkehr an einen reichgedeckten Essenstisch. Überlebt wird im Modus des Behäbigen, des Aushaltens, des Energielosen. Es sind – mit wenigen Ausnahmen – keine Ereignisse, sondern Dauern, die überlebt werden. Willenskraft und Leidensfähigkeit entscheiden über die Ausdauer der Teilnehmer. Und so ist es durchaus faszinierend, dass eine Serie, in der die Tage in einer immergleichen Dauerschleife ablaufen und das Erzähltempo sich dieser Ermattung anschließt, derart erfolgreich ist. Statt den Tod zu verhindern, steht häufig die Zeit totzuschlagen im Zentrum.
Umgekehrt jedoch fügt die Show ihre teilweise spielfilmlangen Folgen gleichermaßen in ihr Veröffentlichungsmedium YouTube ein, wenn in schnellen Schnitten erzählt wird; gepaart mit Gaming-Ästhetiken: Es gibt Animationen wie in Videospielen, gesprochen wird vom ‚Looten‘ und ‚Farmen‘, die Figurenperspektiven sind egoshooterähnlich, first-person-point-of-views. Wer ausscheidet, nimmt nicht mehr am Spiel teil, kann die questförmigen Tageschallenges der ersten beiden Staffeln nicht mehr erfüllen und um den Gesamtsieg streiten. Und auch aufgegeben wird wie am Controller: ein Knopfdruck reicht, der Code ist gesendet und das ‚Spiel‘ zu ende.
Diese Parallelen zum Spiel deuten an, was das Überleben auf viel fundamentalerer Ebene betrifft: Es wird in der Serie simuliert. Möglichst wirklichkeitsgetreu wird in kuratierten Settings das Überleben nachgeahmt. Aber es liegt in dessen Charakter selbst begründet, das es sich einer Simulation entzieht. Survivalists können das Überleben in der Natur lediglich üben, Prepper, die sich für mögliche Katastrophen wappnen, diese nur immer wieder erzählen, Vorbereitungen treffen, ohne den Ernstfall schon jetzt zu erleben. Dem Überleben kann sich nur angenähert werden. Es lässt sich nicht erbauen oder umfassend herstellen, sondern nur erleben. Wer auszieht, um zu überleben, kalkuliert immer schon mit ihm, zieht aus, um das Überleben auszuprobieren, selbst wenn es scheitern, der Tod also eintreten würde. Aber einem Überleben sui generis ist immer ein Kontrollverlust inne, ein Außen, das sich dem Zugriff entzieht, etwas, das über das Individuum hereinbricht.
Besonders deutlich wird dies in der dritten Staffel, als die beiden Survival-Experten Fritz Meinecke und Mattin sich zur Aufgabe genötigt sehen, weil sie kein Trinkwasser finden. „Szenariotechnisch bestätigen wir hier gerade unseren Tod“, betont Fritz (Folge 6) und bedient sich mit dem Begriff ‚Szenario‘ dabei einer Leitvokabel der Imagination von Katastrophe und Überleben. Szenarien sind „erfundene, aber mögliche Abläufe eines antizipierten Geschehens im Rahmen einer vorgegebenen Ausgangssituation“.10 Im Gegensatz zu ihrer erzählerischen Imagination geht 7 vs. Wild nun einen Schritt weiter und spielt diese in der Realität durch. Sie lässt den Abbruch aber nur symbolisch den Tod figurieren, und zwar in einer Art Vorhinein, während die entscheidenden Kipppunkte unberührt bleiben. Vor der Entscheidung zwischen Leben und Tod wird mit dem Knopfdruck der Gang zurück in die Zivilisation angetreten. Wie es wäre, an die Grenzen des eigenen Lebens vorzudringen, bleibt – begründeterweise – unausgeleuchtet. Das Risiko, auf ‚Teufel komm raus‘ zu überleben, ersparen sich Serie und Teilnehmer. An die allerletzte Grenze, gerade hierhin, wo die letzte Weggabelung zwischen Leben und Tod liegt, geht die Serie nicht. Gerade hier aber liegt das Überleben in seiner radikalsten Form, als eine Binarität. Wer zu überleben versucht, geht in letzter Konsequenz an die letztmögliche Grenze, verliert damit aber auch jede weitere Möglichkeit eigenen Handelns: „Seine eigenen Grenzen zu besetzen heißt, nicht mehr über das Ende zu verfügen“.11 Auch der ‚szenariotechnische Tod‘ liegt damit nur an einem eigentlich vorzeitigen Endpunkt des Szenarios.
Wenig begeistert von ihrem Aussetzungsort: Fritz und Mattin (Bildquelle: 7vswild.eu)
Trotzdem sehen sich die beiden Survival-Experten einem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, der sie minutenlang ihre Entscheidung begründen, das Szenario durchspielen lässt. Dadurch zeigt sich der Abbruch aber als nur ein möglicher Ablauf des szenisch abgebildeten Szenarios. Auch andere wären denkbar. Genau über diese anderen Verläufe, über ihr mögliches Verhalten in einer ‚realen‘ Überlebenssituation philosophieren nun Mattin und Fritz kurz vor dem Abbruch. Sie imaginieren, was sie getan hätten, wäre die Rettung auf Knopfdruck unmöglich: Loslaufen auf der Suche nach Trinkwasser, bis zur körperlichen Erschöpfung, um es dann zu finden – oder zu sterben. „Man würde nichts unversucht lassen“, resümiert Mattin. In der Simulation selbst tritt das Überleben so wiederum als Imagination ein. Es ist eine Art doppelte Annäherung, die doch ihre Unschärfen behält. Gerade in Mattins vager Formulierung bleibt präsent, wie in sich unsicher selbst diese nahe Imagination des Überlebens ist: Nicht zu wissen, was wirklich passiert wäre, was man wirklich getan hätte, bei aller Planung, aller Überlegung, aller Vorbereitung. Was hinter diesem ‚nichts‘ des ‚unversucht‘ steckt, ganz real, dehydriert und an der Grenze zum Tode, bleibt unergründbar. Das eigene Ich, wenn es auf den Spuren des Todes wandelt, im Vorhinein zu kennen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Unmöglicher mag dies nur noch für den Zuschauer sein, der noch weniger weiß, wie er sich verhalten hätte, schließlich befindet er sich nicht einmal in der Nähe dieser Überlebenssituation, aus der heraus imaginiert wird, sondern auf dem heimischen Sofa. Er sieht nur, wie die Teilnehmer darüber nachdenken, wie sie sich verhalten würden. Überlebensgeschichten sind, real oder imaginiert, insofern immer individuell. Sie sind die singuläre Geschichte von jemandem.
Versuchung und Selbstfindung
Die Rettung per Knopfdruck ist nicht nur der Punkt, an dem das Überleben zur YouTube-Show wird. Sie ist auch eine Versuchung, gegen die sich zu verwahren die eigentliche Herausforderung ist. Solche Versuchungen sind literaturgeschichtlich aber weniger mit Figuren wie Crusoe oder Selkirk verbunden, die nach ihrem Schiffbruch alternativlos auf der Insel gestrandet sind, sondern mit Einsiedlern, die sich bewusst in die Natur zurückziehen. Während dieser Rückzug ein Weg zu Glauben und Gott ist, bleibt die Rückkehr in die frevelhafte Gesellschaft weitgehend unattraktiv. Trotzdem müssen sich die Einsiedler immer wieder gegen diese „Versuchungen“ wehren, dem Teufel als „Verführer“ zu „leibliche[n] Genüsse[n], Geld, Ehren“ widerstehen, wie schon Jesus in der Wüste.12 Genau diese leiblichen Genüsse aber sind es, nach denen sich auch die Teilnehmer bei 7 vs. Wild sehnen. Es ist das Essen, das in Form von Falafel-Döner, Pommes oder Pizza zum Objekt der Begierde wird. Sie lassen ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen, während für ein oder zwei Wochen allerhöchstens Beeren oder Fisch auf der Speisekarte stehen. Viele Teilnehmer sind übergangsmäßige Asketen, deren Kopf kulinarisch verrücktspielt. Umso verlockender ist bei all dem der Knopf: „Die ‚Hintertür‘ ist die größte Herausforderung“, verzweifelt Mattin (Staffel 1, Folge 14).
Ähnliche Sehnsüchte erwecken vor allem in den ersten beiden Staffeln, als die Teilnehmer vollkommen auf sich allein gestellt sind, Freunde und Familie. Mit beidem, Essen wie Mitmenschen, führt die Serie eine Art Rückbesinnung auf das vor, was sich wohl am ehesten unter dem Begriff des ‚Wesentlichen‘ zusammenfassen lässt. Andere Dinge der modernen Welt wie das Smartphone erscheinen demgegenüber als irrelevant. „Ich sitz hier einfach so am See. Mein Gehirn hat mal Zeit, nachzudenken. Und der Witz ist ja, hier, das ist ja eigentlich die Realität“, konstatiert in der ersten Staffel der YouTuber Fabio Schäfer im Kontrast zu einer „Plastikwelt“ (Folge 9). Der Naturaufenthalt bietet eine Ruhe, die über das eigene Leben nachdenken lässt, aber auch zur Klage reizt, wenn sich nach Beschäftigung gesehnt wird, damit der Kopf nicht ‚freidreht‘. Neben dem Überleben eröffnet die Serie ihren Teilnehmern damit eine Phase der Selbstfindung, die von diesen auch immer wieder als solche explizit bezeichnet wird.
Im Zentrum des Nachdenkens steht dabei individuelles Verhalten, der Umgang mit Handy oder Familie. Das sind zwar durchaus Reflexionen über die moderne Gesellschaft selbst, sie führen aber in 7 vs. Wild nicht zum Ruf nach kollektiven, sondern individuellen Veränderungen. Gesellschaftsentwürfe treten so zurück hinter Selbstimagination und -findung. Schon Robinson Crusoe hatte seine Zeit auf der Insel als eine Art ‚Neugeburt‘ beschrieben13 und auch für Einsiedler war der Rückzug in die Einsamkeit der Natur immer wieder ein Weg zum religiösen, reinen Selbst. Allerdings führt diese Selbstfindung in 7 vs. Wild weiter in ein Lob des Individuums. Während Überlebensgeschichten wie die Robinson Crusoes oder Alexander Selkirks immer wieder auf die Vorsehung (providence) abheben – von Einsiedlergeschichten ganz zu schweigen – und aus ihr das eigene Überleben erklären, tritt in der YouTube-Show der individuelle Erfolg an die Stelle göttlicher Fügung. Nicht nur erhellen sich im Gang an die Grenzen die Konturen des Selbst, kommen die ‚wahren Seiten‘ zum Vorschein. Das Individuum selbst (be)zeichnet sich als für sein Überleben verantwortlich. Das zeigt vor allem, wie unterschiedlich solche Erzählungen vom Überleben interpretiert und präsentiert werden können. Diese existentielle Erfahrung und damit die Stellung des Menschen in der Natur entpuppt sich als historisch und kulturell variable Kategorie. Das gilt in letzter Konsequenz auch für das Survival selbst, denn die Praktiken allein geben nur ungenügend Aufschluss über ihre Bedeutung. Das Überleben in der Natur kann ausprobiert, erlebt oder erlitten werden. Prepper, die sich auf den Untergang der Welt oder einen Zusammenbruch der Gesellschaft vorbereiten, vollziehen ähnliche Praktiken wie Outdoor-Abenteurer – aber mit ganz unterschiedlichen Zielen und Vorstellungen. Erst in den mitartikulierten Sehnsüchten, Selbstbeschreibungen und Erzählweisen erschließen sich diese Überlebenserfahrungen in der Natur in ihrem je spezifischen Charakter.
In 7 vs. Wild aber finden diese Praktiken vor allem unter der Zielsetzung einer Rückkehr in die Gesellschaft statt. Sie steht am Ende des Aufenthalts und wird währenddessen von der stetigen Sehnsucht nach Familie, Tätigkeit und Essen immer wieder präsent gehalten. Der narrative Schluss ist schon von Anfang an festgelegt, es ist eine Show der Finalität, bei der alles Handeln sich daher motiviert, die Zeit durchzustehen und am Ende zurückzukehren. Das Leben in der Natur wird damit keine Alternativexistenz, genauso wenig wie sie ein Vorbereiten und Testen für ein Überleben im Katastrophenfall ist. Vielmehr werden einzelne Survival-Skills erprobt, Dinge getan, die man längst erleben wollte oder das eigene Selbst zu finden und testen versucht. Gerade für all die Streamer, YouTuber und Wildcard-Gewinner ist es letztlich eine einmalige Erfahrung. An eine mögliche Katastrophe oder einen Rückzug aus der Gesellschaft verschwenden sie keinen Gedanken.14
Überleben und die Moderne
Solch eine fast schon heilsame Verknüpfung von Naturerlebnis und Gesellschaft ist nicht neu. Robert Baden-Powell, der Gründer der Pfadfinder, schrieb schon 1908 in seinem Buch Scouting for Boys über die positiven Effekte für die Gemeinschaft. Im Pfadfinder (scout) sah er die tragende Säule des britischen Imperialismus (scouts of the nation). Dessen Verfall möchte er mit seiner Pfadfinderidee entgegenwirken, die in jeglicher Lebenssituation und für jeden Lebensweg nützlich sei. Sie lehre den ‚Burschen‘, ein Mann zu sein.15 Es ist ein nationaler Plan, in den Baden-Powell seine Naturerlebnisse einbaut, nach der Losung ‚Country first, self second‘. Schon der Untertitel seines Buches A Handbook For Instruction in Good Citizenship verdeutlicht dies. Aus dem Überlebenstraining des Individuums erwächst das Überleben der Nation, von militärischer Stärke bis zu gutem Zusammenleben.
Den Überlebensbegriff verwendet Baden-Powell jedoch nie.16 Gleiches gilt für Francis Galton. Der landläufig eher für seine eugenischen Ideen bekannte britische Naturforscher schrieb im 19. Jahrhundert mit The Art of Travel einen Reise- und Überlebensratgeber, der zum Bestseller avancierte und von ihm bis 1872 mehrmals ergänzt und umgearbeitet wurde. Galton versammelt Hinweise und Ratschläge vom Feuermachen über den Bau des Unterschlupfes bis hin zur Nahrungsbeschaffung. Veranschaulicht wird all das mit Abbildungen, Graphen und sogar einer Art Kalorientabelle. Galton bleibt aber nicht bei Überlebenstipps stehen, sondern erhebt das Reisen zu einer wissenschaftlichen Tätigkeit. Und so fügt er seitenlange Hinweise zur Kunst des Notierens hinzu, doziert selbst über Stiftarten und Papierstärken. Das verleiht seiner Idee der Naturerfahrung eine inhärente Veröffentlichungslogik, wenn auch eher in Zahlen und Beobachtungen. Die Rückkehr bleibt eine unabwendbare, aber schmerzhafte Tatsache: „It is better to think of a return to civilization, not as an end to hardship and a haven from ill, but as a close to and adventurous and pleasant life”.17
Die beiden Beispiele zeigen, was für Überlebensgeschichten in der Natur grundsätzlich gilt: Stets wird ein Verhältnis zur Gesellschaft mitartikuliert, die Natur mitdefiniert. Es lässt sich nicht über Natur sprechen, ohne über die Gesellschaft zu sprechen. Die Moderne konfrontiert sich so mit dem anderen, dem, was sie hinter sich gelassen hat, was sie außerhalb ihrer selbst verortet – woraus sie sich aber auch begründet. Nicht umsonst entwerfen klassische Denker wie Thomas Hobbes, Jean-Jacques Rousseau und John Locke den (modernen) Staat gerade über die Fiktion eines vormaligen Naturzustands. Ihr Gesellschaftsvertrag ist das normative Produkt einer Imagination des Zuvor. Und dessen Charakter leitet sich letztlich besonders von der Art dieser Imagination ab, vom kriegsähnlichen Überlebenskampf bis zum friedlichen Zusammenleben. Mal muss der Naturzustand überwunden, mal in gesellschaftliche Verhältnisse hinübergerettet werden.
Auch 7 vs. Wild entwirft eine Art Anthropologie des Menschen in seinem ‚natürlichen‘ Überleben und konturiert zugleich die Natur als das ‚Andere‘ mit. Die europäische Moderne entwirft dieses Natürliche auch gerne personal, beispielsweise in der Figur des Edlen Wilden, der von den Verhängnissen der Zivilisation noch unberührt sei. Das nimmt, wie Defoes Robinson Crusoe mit dem Kannibalen Freitag zeigt, neben teilweise bewundernden gerade auch kolonialistische Züge an. In 7 vs. Wild aber liegt der Fokus vollkommen auf der Natur. Sie ist zu diesem Dritten geworden, das sich lebensfeindlich gebärdet und doch als wertvolles Gut wahrgenommen wird, das durch die Zivilisation mit Umweltverschmutzung und Klimawandel in ihrem Wesen bedroht scheint. Müll wird in allen Staffeln der Serie an die Ufer geschwemmt, türmt sich fast schon auf. Was die Unberührtheit der Natur verletzt und die Teilnehmer zu Zweifeln an der Zivilisation veranlasst, ist ihnen aber zugleich willkommene Überlebenshilfe. Überhaupt muss diese Unberührtheit auf viel grundsätzlicherer Ebene im Vorgang der Show hergestellt werden. Monatelang suchen die Organisatoren nach geeigneten, abgeschiedenen Orten für die Serie. Natur muss kuratiert werden, bevor sie betreten werden kann.
Dass bei diesen Naturerfahrungen gerade das Überleben im Vordergrund steht, mag zum einen mit dem antagonistischen Naturbild zusammenhängen, das Survivalshows zeichnen und mit dem sie an die Naturdokumentation der 1920er Jahre anschließen.18 Zum anderen aber liegt es vor allem an der Moderne selbst. Erst sie scheint den Überlebensbegriff entdeckt zu haben, der vor allem mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts verstärkt auftritt und bis in jüngste Zeit hinein immer mehr verwendet wird.19 Dafür wiederum ließen sich verschiedene Gründe finden. Womöglich gewinnt das Überleben im Diesseits erst mit der Säkularisierung an echter Relevanz, weil ein Weiterleben im Jenseits verschwindet. Zugleich scheint die Moderne das Sprechen über die von ihr ins Leben gerufenen Risiken wie Atomkatastrophe und Klimawandel zu entdecken, bei denen nicht nur das Überleben des Einzelnen, sondern das der gesamten Menschheit auf dem Spiel steht. Ganz grundlegend aber könnte hinter dem Aufstieg des Überlebens eine Normalisierung des Lebens selbst stehen. Die Lebenserwartung steigt, die Grippe ist kaum noch tödlich – und wenn, dann unter der medizinischen Bezeichnung Influenza. Dass ‚Überleben‘ als Begriff heute so viel häufiger vorkommt, mag ganz einfach daran liegen, dass die Ursache eines Todes früher oft nicht benennbar war, und damit das Etwas, das überlebt werden kann. Nun aber stirbt man nicht mehr einfach, sondern man stirbt an etwas. Und wenn nicht, dann überlebt man dieses Etwas eben. Das Überleben tritt auf den Plan, weil die Mortalität konkret wird. Wenn, dann wartet der Tod jetzt mit Namensschild versehen um die Ecke.
Die Verwendung des Begriffs ‚Überleben‘ nimmt seit 1920 rapide zu (Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, DWDS).
Es ist diese Faszination für das Andere und Außeralltägliche, von der 7 vs. Wild zehrt. Das Überleben wird dann spannend, wenn man selbst nicht tagtäglich mit ihm zu tun hat. Ohne die eigene Couch und den Kühlschrank, stattdessen selbst durch den Wald stapfend auf der Suche nach Nahrung und Unterschlupf, wären Geschichten vom Überleben in der Natur wahrscheinlich weitaus weniger interessant. Und so werden die meisten am nächsten Morgen nicht den Backpacker-Rucksack auf-, sondern den Anzug anziehen.
Ein letztes Mal mag hierfür eine andere Überlebensgeschichte als Beispiel dienen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schildert der Südpolarforscher Ernest Shackleton in seinen unter dem Titel South veröffentlichten Aufschrieben, wie er mit seiner Mannschaft mehrere Monate in einer Bucht am Südpol festgefroren war. Erst eine gefährliche Wanderung über das brüchige Packeis und eine halsbrecherische Reise in einem kleinen Beiboot über tausende Kilometer offener See führten ihn und später seine Mannschaft zurück in die Zivilisation. Von 1914 bis 1917 erstreckte sich diese nach dem Schiff benannte Endurance-Expedition. Der australische Fotograf Frank Hurley dokumentierte sie mit seiner Kamera, die Gratwanderung auf den Pfaden des Todes fand eine bildliche Momentaufnahme. Auch deshalb erregte Shackletons Geschichte in den 1920er Jahren Aufmerksamkeit. Und doch sah sich der Polarforscher immer wieder genötigt, das Erzählen seines Abenteuers vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs zu rechtfertigen und als Dienst an der Gemeinschaft zu deuten. Einer der letzten Sätze in seinen Aufzeichnungen betont genau das: „Mackintosh, Hayward, and Spencer-Smith“, drei Mitglieder der Expedition, „died for their country as surely as any who gave up their lives on the fields of France and Flanders“.20 In einer Zeit, in der Leiden und Sterben um sich gegriffen hatten, erschien die Endurance-Expedition in ihrem Charakter des Überlebens nichts übermäßig Besonderes, ja gar rechtfertigungsbedürftig – und wird heute zu den ‚größten Überlebensgeschichten‘ überhaupt gezählt.
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Vgl. hierzu Ian Watt: Robinson Crusoe as a Myth, in: Robinson Crusoe. An Authoriative Text, Backgrounds and Sources. Criticism, hg. von Michael Shinagel, New York 1975 (Norton Critical Editions), S. 311–332.
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„Robinson Crusoe is first and foremost a response to commercial possibilities and opportunities in the early-eighteenth-century publishing market”, so John Richetti: Introduction, in: Daniel Defoe: Robinson Crusoe, hg. von John Richetti, London 2001 (Penguin Classics), S. ix–xxviii, hier S. xiii.
- Vgl. Richard Steele: N° 26. Dec. 3., in: The Englishmen. Being the Sequel of the Guardian, London 1714, S. 168-173 und Woodes Rogers: A Cruising Voyage Round the World. First to the South Sea, Thence to the East Indies, and Homewards by the Cape of Good Hope, London 1712, hier S. 121–140.
- Crusoe bezeichnet seine selbstgebaute Pfeife als seine größte Errungenschaft (S. 114), ist von Früchten trotz seiner Zeit auf einer brasilianischen Plantage weitgehend ahnungslos (S. 79), schnitzt in einen Pfahl seine Tage ein (S. 52) und erlebt angsteinjagende Begegnungen mit den Fremden und Kannibalen, zitiert nach Daniel Defoe: Robinson Crusoe, hg. von John Richetti, London 2001 (Penguin Classics).
- Daniela Holzer: „Survival Engineering“. Die Survival-Show „7 vs. Wild“ als exemplarische Testsituation einer bedrohlichen Gegenwart, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft 29 (2023), S. 60–72, hier S. 64.
- Jean-François Lyotard: Der/Das Überlebende, in: Anthropologie nach dem Tode des Menschen. Vervollkommnung und Unverbesserlichkeit, hg. von Dietmar Kamper und Christoph Wulf, Frankfurt a.M. 1994 (edition suhrkamp 1906 / N.F. 906), S. 437–462, hier S. 437.
- Auch der englische Begriff to survive zeigt dies noch an. Er zeugt vom französischen survivre, in dem wiederum das lateinische super (‚über‘) steckt. Der Objektbezug des Überlebens ist also übersprachlich
- Ganz ähnlich definieren das Überleben Rudolf Freiburg und Gerd Bayer: Survival.
An Introductory Essay, in: The Ethics of Survival in Contemporary Literature and Culture, hg. von dens., Cham 2021, S. 1–45, hier S. 7: „At all events, however, survival requires an ‚object‘ (or event) that has to be got rid of or left behind, and these objects such as disease, injury, trauma, war or catastrophe are defined by a high potential of explicit or implicit harm.”
- Wirkliches Leid aber erwächst vor allem aus der Mücke. Sie ist eine omnipräsente, stetig stechende Kernplage, die bei Crusoe oder Selkirk vollkommen ausbleibt. Gerade Defoe denkt das Exotische noch in übergroßen Monstern. 7 vs. Wild macht – wahrscheinlich wie moderne Naturerfahrungen allgemein – aus dem Elefanten eine Mücke.
- Eva Horn: Zukunft als Katastrophe, Frankfurt a.M.: Fischer 2014, S. 38.
- So Jean Baudrillard: Überleben und Unsterblichkeit, in: Anthropologie nach dem Tode des Menschen. Vervollkommnung und Unverbesserlichkeit, hg. von Dietmar Kamper und Christoph Wulf, Frankfurt a.M. 1994 (edition suhrkamp 1906 / N.F. 906), S. 335–354, hier S. 352.
- So Elisabeth Frenzel: Einsiedler, in: dies.: Motive der Weltliteratur. Ein Lexikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte, 6., überarbeitete und ergänzte Aufl., Stuttgart 2015 (Kröners Taschenausgabe 301), S. 373–391, hier S. 128 in ihrem Überblicksartikel.
- „The same day of the year I was born on, (viz.) the 30th of September, the same day I had my life so miraculously saved 26 years after, when I was cast on shore in this island; so that my wicked life and my solitary life begun both on a day”: Daniel Defoe (Anm. 4), S. 106.
- Daniela Holzer (Anm. 5) erliegt letztlich genau diesem Problem, die Praktiken in
7 vs. Wildohne die Selbstinterpretationen durch die Teilnehmer zu verstehen und sie deswegen als Testen für den Ernstfall einzuordnen.
- „teaches a fellow to be a man“:
Robert Baden-Powell: Scouting for Boys.A Handbook for Instruction in Good Citizenship, hg. mit einer Einleitung und Notizen von Elleke Boehmer, Oxford 2004, S. 22.
- Vgl. Uta Kornmeier: Fit für den Ernstfall? Überleben als Hobby, in: Überleben. Historische und aktuelle Konstellationen, hg. von Falko Schmieder, München 2011 (Trajekte), S. 395–409, hier S. 401.
- Francis Galton: The Art of Travel or, Shifts and Contrivances Available in Wild Countries, 5. Aufl., London 1872, S. 4.
- Vgl. dazu Joe P. L. Davidson: „Life Can Be a Little Bit Fluffy“. Survival Television, Neoliberalism, and the Ambiguous Utopia of Self-preservation, in: Television & New Media 21/5 (2020), S. 475–492, hier S. 478.
- Einen groben Anhaltspunkt für diese Entwicklung bieten die Daten des Google Ngram Viewers und des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache (DWDS).
- Ernest Shackleton: South. The Endurance Expedition, mit einer Einleitung von Ferus Fleming und Photographien von Frank Hurley, London 2002 (Penguin Classics), S. 334.